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Aktuelles

BGH hält an bisherigen Grundsätzen zur Stundenhonorarvereinbarung mit Verbrauchern fest

Der EuGH hatte am 12.01.2023 für Aufsehen gesorgt, als er eine nach litauischem Recht abgeschlossene anwaltliche Stundenhonorarvereinbarung für unwirksam erklärte (EuGH, Urt. v. 12.01.2023, Az. C – 395/21). Zur Begründung führte er aus, dass der Vertrag den Mandanten nicht in die Lage versetze, bei Abschluss der Vereinbarung deren finanziellen Folgen abschätzen zu können. Die Honorarklauseln seien somit gemessen an der Transparenzrichtlinie intransparent, ihre Verwendung missbräuchlich, die Klauseln unwirksam und der Vertrag insgesamt nichtig.

Das Urteil wurde seither in der deutschen Rechtsprechung mit teilweise unterschiedlichen Ergebnissen berücksichtigt (s. LG München I, Urt. v. 16.02.2023, Az. 4 O 14404/22; OLG Köln, Teilurt. v. 12.04.2023, Az. 11 U 218/19; OLG Bamberg, Urt. v. 15.06.2023, Az. 12 U 89/22). Während die Gerichte sich in der Nichtigkeitserklärung von Verträgen tendenziell zurückhaltend zeigten, haben mehrere Rechtsschutzversicherungen, die auch das Anwaltshonorar gemäß einer Honorarvereinbarung übernehmen, bereits geleistete Zahlungen von Rechtsanwälten mit der Begründung zurückgefordert, dass sie die geschlossene Honorarvereinbarung aufgrund der EuGH-Rechtsprechung als unwirksam ansehen.

Der BGH hat nunmehr mit Urteil vom 12.09.2024 (Az. IX ZR 65/23) entschieden, dass die EuGH-Rechtsprechung in keinem Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des BGH zu Stundenhonorarvereinbarungen (s. Insbesondere BGH, Urt. v. 13.02.2020 Az. IX ZR 140/19) stehe:
Die Vereinbarung von Zeittaktklauseln mit Verbrauchern sei zwar regelmäßig für den Verbraucher bei Vertragsabschluss intransparent; sie führe aber auch dann nicht regelmäßig zu einer unangemessenen Benachteiligung des Verbrauchers, wenn bei Vertragsschluss weder eine Schätzung des anfallenden Mindesthonorars abgegeben noch eine regelmäßige Stundenabrechnung ausdrücklich vereinbart werde.


Der BGH sieht hierin keinen Widerspruch zur Transparenzrichtlinie und der Rechtsprechung des EuGH:

Die Transparenzrichtlinie (93/13/EWG) vom 05.04.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen hält formularmäßige (d. h. nicht im Einzelfall ausgehandelte) Vertragsklauseln in Verbraucherverträgen für missbräuchlich, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht. Maßgebliche Beurteilungszeitpunkt ist dabei der Vertragsabschluss. In schriftlichen Verträgen muss die Regelung zudem klar und verständlich abgefasst sein.

Nach Überzeugung des EuGH sei entscheidend für die Transparenz von Vergütungsklauseln, dass der betroffene Verbraucher vor Vertragsabschluss in die Lage versetzt werde, den Umfang und die finanziellen Folgen des Vertragsschlusses aufgrund genauer und nachvollziehbarer Kriterien einschätzen zu können (Rn. 37-39).

Der EuGH würdigt, dass dies im Rahmen von Rechtsdienstleistungsverträgen häufig schwer bis unmöglich sei, da die Anzahl der erforderlichen Stunden zur Bearbeitung eines Mandats von ungewissen künftigen Umständen abhänge, die nicht im Einflussbereich des Rechtsanwalts lägen. In derartigen Fällen müsse der Verbraucher darüber aufgeklärt werden, dass solche Ereignisse eintreten können und welche Folgen dies haben kann (Rn. 41, 43).
Zur Information des Verbrauchers über die im Raum stehenden Kosten schlägt der EuGH zwei Vorgehensweisen vor: Zum einen könne eine Schätzung der Stunden erfolgen, welche voraussichtlich mindestens erforderlich seien, um das Mandat zu bearbeiten. Zum anderen könne in angemessenen Zeitabständen abgerechnet oder zumindest Zeitaufstellungen an den Mandanten übermittelt werden (Rn. 44).

Sofern eine Klausel in einer Honorarvereinbarung intransparent sei, müsse in einem zweiten Schritt nach den nationalen Vorschriften des jeweiligen Staates geprüft werden, ob die Klausel auch als missbräuchlich zu bewerten ist (Rn. 52). Sollte dabei die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel festgestellt werden, müsse die Sach- und Rechtslage wiederhergestellt werden, in der sich der Verbraucher ohne die missbräuchliche Klausel befunden hätte. Dies erfolge grundsätzlich dadurch, dass der Mandant von der Zahlungsverpflichtung, welche sich aus der Vergütungsvereinbarung ergibt, befreit werde. Dies gelte auch dann, wenn die Dienstleistungen bereits erbracht wurden oder der Rechtsanwalt folglich überhaupt keine Vergütung erhält (Rn. 54-59). Für den Fall, dass aufgrund der Aufhebung einer missbräuchlichen Klausel der übrige Vertrag nicht fortbestehen kann und dies den Verbraucher schädigen würde, könne das entscheidende Gericht die entsprechende Klausel auch durch dispositive Vorschriften des nationalen Rechts ersetzen (Rn. 56).

Der BGH stimmt zu, dass bei richtlinienkonformer Auslegung die Vereinbarung eines Zeithonorars für den Verbraucher bei Vertragsschluss hinsichtlich der insgesamt anfallenden Kosten häufig intransparent sei und grundsätzlich Missbrauchsmöglichkeiten eröffne (Rn. 15, 20). Hierdurch werde der Mandant jedoch nicht unangemessen benachteiligt, da die Missbrauchsgefahr nicht Ergebnis einer treuwidrigen Vertragsgestaltung des Rechtsanwalts sei, sondern aus dem schwer überprüfbaren Zeitaufwand folge. Sie verschaffe dem Rechtsanwalt keinen einseitigen Vorteil auf Kosten des Mandanten, da diesen – anders als bei einer Abrechnung nach den gesetzlichen Gebühren – die Rechtspflicht treffe, die während des abgerechneten Zeitintervalls erbrachten Leistungen konkret und in nachprüfbarer Weise dazulegen. Hierdurch werde der strukturelle Nachteil des Mandanten angemessen ausgeglichen (Rn. 16). 

Die Intransparenz der Klausel führe nach den Vorgaben des nationalen Rechts (§ 307 Abs. 1 S. 1 i.V.m. S. 2 BGB) jedoch nicht zwingend zur Unwirksamkeit formularmäßig getroffener Zeithonorarvereinbarungen mit Verbrauchern (Rn. 19, 21). Dies gebe auch die Transparenzrichtlinie nicht vor. Vielmehr stelle die Intransparenz einer Bestimmung nach dem Unionsrecht nur einen Gesichtspunkt dar, der bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer Klausel gem. Art. 3 Abs. 1 Transparenzrichtlinie im Wege der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen sei (Rn. 22).

Sodann legt der BGH die Regelung des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB dahingehend aus, dass nicht ausnahmslos jede Unklarheit bei einer Zeithonorarklausel eines Rechtsanwalts als solche zwingend eine unangemessene Benachteiligung des Mandanten bedinge (Rn. 23-26). Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH habe dieser eine unangemessene Benachteiligung nur dann angenommen, wenn der intransparenten Vereinbarung eine missbräuchliche Vertragsgestaltung durch den Verwender zugrunde gelegen habe (Rn. 28).

Daraus schlussfolgert der BGH sodann Folgendes: Ein Rechtsanwalt, der eine am deutschen Rechtsberatungsmarkt etablierte Abrechnungsart in den Vertrag einführt, verfolge nicht schon dann treuwidrig eigene Belange auf Kosten des Mandanten, wenn er keine zur Abschätzung des finanziellen Gesamtaufwands geeigneten Angaben erteilt oder sich nicht bereits bei Vertragsschluss verpflichtet, in angemessenen Zeitabständen abzurechnen oder über die Stundenzahl zu informieren. Dies allein benachteilige den Mandanten nicht entgegen Treu und Glauben unangemessen (Rn. 30). 

Der Rechtsanwalt strebe mit einer vorformulierten Stunden-Honorarvereinbarung keine einseitige Interessendurchsetzung zum Nachteil des Mandanten an. Ebenso diene die Vereinbarung nicht dazu, wirtschaftliche Vertragsrisiken zu verschleiern und so den Mandanten treuwidrig zum Abschluss einer für ihn nachteiligen Vergütungsabrede zu veranlassen. Vielmehr werde durch eine Stundenvergütung dem Interesse des Mandanten an einer für ihn nachvollziehbaren Preisermittlung Rechnung getragen.

Anders als im Falle einer Abrechnung nach dem RVG, die für den Verbraucher regelmäßig nur unter Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe zu überblicken sei, bemesse sich das Anwaltshonorar lediglich anhand der Größen „Stundensatz“ und „aufgewandte Zeit“ (Rn. 30). Der Rechtsanwalt dürfe davon ausgehen, dass der Mandant ohne Weiteres erkennen wird, dass die Vergütungshöhe nicht allein vom Stundensatz, sondern gleichermaßen vom Gesamtbearbeitungsaufwand abhänge. Dies gelte umso mehr, da der Bezugspunkt der Klauselunklarheit eine Preisabrede sei, welcher der Mandant regelmäßig besondere Aufmerksamkeit widmen wird, da sie den Kern des Vertragsinteresses beider Parteien darstellt (Rn. 32). Hierzu trügen auch die Formvorschriften des § 3 Abs. 1 S. 2 RVG bei.

Dem Rechtsanwalt werde durch die formularmäßige Zeit-Honorarvereinbarung auch kein rechtlicher Gestaltungsspielraum eingeräumt, die dieser Abrechnungsart innewohnende Missbrauchsmöglichkeiten zu ergreifen. Die Rechtsprechung des BGH schütze den Mandanten vor den Gefahren einer treuwidrigen oder missbräuchlichen Abrechnung des Zeithonorars. Zum einen träfen den Rechtsanwalt strenge Darlegungsanforderungen hinsichtlich des abgerechneten Honorars sowie eine Pflicht zur zeitnahen und sorgfältigen Dokumentation der Arbeitsschritte. Zum anderen sei selbst der nachgewiesene Zeitaufwand nur dann in vollem Umfang berücksichtigungsfähig, wenn er in einem angemessenen Verhältnis zu Schwierigkeit, Umfang und Dauer der zu bearbeitenden Angelegenheit stehe. Dies unterliege uneingeschränkter tatgerichtlicher Überprüfung; zudem ermögliche § 3 Abs. 3 RVG eine Kontrolle der Angemessenheit der vereinbarten Vergütung im Zeitpunkt der Abrechnung (Rn. 33-35). 

Zur Folge einer Unwirksamkeit einer Honorarvereinbarung führt der BGH aus, dass der Rechtsanwalt für seine anwaltlichen Tätigkeiten dann jeweils die gesetzliche Vergütung nach den Vorschriften des RVG verlangen könne. (Rn. 57).
Bei den Vorschriften des RVG handle es sich nicht um abdingbares Recht im Sinne der Rechtsprechung des EuGH. Das RVG enthalte ein gesetzliches Preisrecht, dass über die Höhe der Vergütung der Rechtsanwälte für anwaltliche Tätigkeiten bestimmt. Damit gehe es über die Ergänzungsfunktion abdingbaren Rechts hinaus; ihm komme vielmehr eine Ordnungsfunktion zu (Rn. 60). Die Wirkungen des Vergütungsrechts erschöpften sich nicht in der Bereitstellung von Preisregeln für den Fall, dass es an einer wirksamen Honorarvereinbarung fehle. § 1 Abs. 1 S. 1 RVG ordne vielmehr an, dass sich die Vergütung für anwaltliche Tätigkeiten der Rechtsanwälte nach dem RVG bemisst. Anknüpfungspunkt für die Vergütungspflicht sei dabei die anwaltliche Tätigkeit. Sobald die Voraussetzung des § 1 RVG vorliege, bemesse sich die Vergütung anwaltlicher Tätigkeiten, für die es an einer wirksamen Honorarvereinbarung fehle, zwingend nach den Bestimmungen des RVG.

Abweichungen seien nur aufgrund von Vergütungsvereinbarungen möglich. Zur Disposition der Vertragsparteien stehe das gesetzliche Preisrecht nur in dem Rahmen, den die Gebührenordnung selbst gem. §§ 3a bis 4b eröffne (Rn. 61). Das RVG stelle den Vertragsparteien weder frei, die gesetzlichen Vergütungen ersatzlos abzubedingen, noch sich für den Fall der Unwirksamkeit der getroffenen Vergütungsvereinbarung von den Preisbestimmungen der Gebührenordnung zu lösen. Insoweit sei das gesetzliche Preisrecht nicht disponibel dies habe zur Folge, dass die Preisregeln des RVG zwingend eingreifen, wenn es an einer wirksamen Vergütungsvereinbarung fehle (Rn. 62).

Lediglich ergänzend stellt der BGH fest, dass sich der Verwender nicht auf die Unwirksamkeit einer von ihm gestellten allgemeinen Geschäftsbedingungen berufen und sodann aus einer solchen Unwirksamkeit Vorteile ziehen könne. Dementsprechend stünde dem Rechtsanwalt bei der Unwirksamkeit einer Honorarvereinbarung und bei Anwendung des RVG keine höhere als diejenige Vergütung zu, welche sich aus der Honorarvereinbarung ergeben hätte (Rn. 64 f.).


Die Schlussfolgerung des BGH, dass eine Intransparenz nach deutschem Recht nicht zwingend die Unwirksamkeit einer Klausel zur Folge habe, hatten bereits auch die Gebührenreferentinnen und -referenten der Rechtsanwaltskammern bei ihrer 84. Tagung am 06.04.2024 in ihren Thesen zum aktuellen Stand der Entwicklungen und der nationalen Rechtsprechung in Bezug auf das Urteil des EuGH vom 12.01.2023 gezogen. Auch sie hielten es für erforderlich, die Wirksamkeit einer intransparenten Klausel durch eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Vertragsschlusses zu prüfen.
Ebenso war die Gebührenrechtsreferententagung zu dem Schluss gekommen, dass für den Fall der Unwirksamkeit einer Stundenhonorarvereinbarung die gesetzlichen Gebührentatbestände anzuwenden seien.
 
Die Interessenvertretungen der Rechtsanwaltschaft werden die Thematik auch weiterhin verfolgen.

Praxistipp: Im konkreten vor dem BGH verhandelten Fall erwies sich die Honorarvereinbarung letztlich als unwirksam, da die Stundenhonorarvereinbarung mit weiteren Zusatzklauseln wie u. a. eine wertabhängige Erhöhung im Einzelfall vorsah, so dass insgesamt eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers angenommen wurde. Wie bereits nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH (BGH, Urt. v. 13.02.2020, Az. IX ZR 140/19 bw. 141/19) ist damit eine Kombination verschiedener Modalitäten von Honorarvereinbarungen jedenfalls gegenüber Verbrauchern nicht zu empfehlen.